Texte
Friederike Hammann
28. Februar 2020
Begrüßungsansprache zur Eröffnung der Ausstellung LATERAL von Markus Kohn im Museum Falkensee
Lateral? Bitte, was ist das denn? Das kennen wir doch nur aus der Politik: Bilateral, unilateral, multilateral und - uuhh kollateral… Markus, was hast du dir dabei nur gedacht? Kommst du vom Rande, aus der Flanke, gehst du abseits oder lässt Du was zur Seite fallen? Ich sehe hier um mich und schaue auf die riesige Rolle »Weekend« und sehe: Auto an Auto, also STAU.
Ein Film aus dem Jahr 1967 »Weekend« von Jean Luc Godard hat Dich inspiriert. Godard bewegt seine Kamera seitlich und entlang der Linie unbewegter Autos, hat Fahrzeuge und Menschen während ihres unfreiwilligen Aufenthalts am Straßenrand gefilmt. Er hat dabei aus dem Seitenblick und mit Humor ein Dokument geschaffen über ein Phänomen, das sich seit der Entstehung dieses Films vervielfältigt und potenziert hat. So geriet ich auf dem Heimweg von der Vorbereitung dieser Ausstellung in, tja … einen Stau. Du führst uns in deiner »längsten Zeichnung der Welt« aus der flankierenden Sicht auf die Auto-Schlange eine Feier des Stillstandes vor. Hupend. Still stehen die Transportmittel ins ersehnte WEEKEND. Abseits verhalten sich die Insassen, die ausgestiegen sind. Schauend, spielend, schreiend. Es zeigen sich: Kulturtechniken des unfreiwilligen Wartens und viele schöne historische Autotypen. Wir hören am Rande auch die Geräusche des Films, der auf einem Monitor zu sehen ist. Sie begleiten deine Zeichnung, die Stille hängt.
Abseits stehen auch die Wartenden am Berliner LaGeSo (Landesamt für Gesundheit und Soziales). Es sind geflüchtete Menschen, die, auf ihre Registrierung wartend, im Regen stehen. Man sieht sie aber nicht, nur ihre Schirme. Sie sind verborgen, erscheinen als Formenband, unbekannt und unpersönlich. Man muss gesagt bekommen, was sich dort verbirgt. Fast sieht es aus wie in einem Game, nur was soll man damit tun? Herausfinden, hereinfinden, durchkommen? Es ist eine Perspektive aus großer Distanz und Verfremdung, unpersönlich, ungenau, befremdend.
Diese Perspektive aus großer Höhe und verfremdender Distanz finden wir auch in irritierender Weise im »Japanischen Garten«, einer scheinbar konstruktivistischen Bilderserie: Wir blicken auf geometrische Anordnung, kunstvolle Stilisierung und Organisation in meist gewinkelten Rastern. Die Zwischenräume wurden malerisch gestaltet. Ist dies ein hoher Blick auf Zen-Gärten, meditativ anmutende Pflanzenformen? Leider nein! Es handelt sich um den sorgfältig gestapelten, »sauber« verpackten und strahlenden Müll aus Fukushima. Tödliche Lebensgefahr in dekorativer Harmonie. Falls in Jahrhunderten Archäologen existieren, die dies entdecken und freilegen, welch abseitigen Kult mögen sie glauben hier entdeckt zu haben?
Markus, Du hast Dich auch selbst scheinbar in die Rolle eines Archäologen begeben, hast Objekten, Strukturen, Elementen nachgespürt, Dinge ausgegraben, eingegraben und freigelegt. Das erinnert mich immer an Pompeji. Die Ausgrabungen des Alltäglichen dort zeigen Verwandtes mit dem hier Präsentierten: Gestricktes in Beton gegossen oder Hauteindrücke auf Transparentpapier konserviert. Sie wandern, zu kostbaren Fundstücken auratisiert, in Rahmen und Vitrine.
Konservieren oder Verschwinden, Erhaltung oder Verdecken zeigt sich in den Retro-Broken White Paintings. Farbfelder unter Übermalungen, die scheitern wollen. Die Farben scheinen als Erinnerung an das, was war, immer wieder durch. Blutende Farben nennt man das in der Fachsprache und normalerweise versucht man dies in der künstlerischen Arbeit zu vermeiden. Du machst eine zarte Erscheinung daraus.
Deine Suche als Bewegung vom »Jetzt« in beide Richtungen ins »Vorher« und ins »Nachher« wird auch spielerisch mit Witz und Humor. Es wuseln die Solarinsekten, die in emsigen Gezappel und Geruckel symbolhafte Heuschrecken zu eliminieren suchen. Klar, dass sie scheitern, doch ein zartes und fein differenziertes Bild bleibt bestehen. Es ist keins wie das andere, denn das Licht und der Zufall haben die Hände im Spiel. Unter ihrer Regie zeigen die »Tierchen« sich als künstlerische Produzenten in Bild und Ton. Hören Sie zu und schauen Sie ihnen auf die Füßchen…